SORTENREINER HOLZBAU: Nahversogungszentrum Nordstadt, Singen
Blick auf den Quartiersplatz mit Eingang Nahversorgungszentrum
STÄDTEBAULICHE LEITIDEE
Die städtebauliche Positionierung der Baukörper knüpft behutsam an die angrenzende Bebauung an und ergänzt diese durch ein eigenständiges Quartier, welches sich durch die kleinteilige Körnung sensibel in die Umgebung einfügt. Wegeverbindungen leiten sich selbstverständlich aus dem bestehenden Wegegeflecht ab und führen alle fußläufigen Anbindungen und Radwege an die neue Mitte der Singener Nordstadt.
Der Topografie folgend staffeln sich die Gebäude Richtung Westen, zur Autobahn hin, in die Höhe. Mit einem fünfgeschossig in Erscheinung tretenden Hochpunkt, wird dort eine städtebauliche Landmarke als Auftakt verortet. In den Randbereichen gliedert sich die neue Bebauung adaptiv ein und sucht eine verträgliche bauliche Höhe zum bestehenden Kontext.
Das Gesamtareal wird in drei Bereiche unterteilt. Auf der Westseite wird die Topografie genutzt, um den Nahversorger auf einer Ebene mit der Drogerie im Hang zu platzieren. Auf der Ostseite sind zwei „kiezbildende“ Häusergruppen orientiert. So lässt sich das Quartier auf einfache Weise in bis zu drei Bauabschnitten realisieren. Zudem entsteht somit wie selbstverständlich eine klare Gliederung zwischen öffentlichen- und privaten Bereichen.
Lageplan 1:1000 © GREENBOX
Lageplan 1:500 © GREENBOX
FREIRAUM
Aus der Anbindung „Im Iben“ entwickelt sich eine „grüne“ Nord-Süd Verbindung durch das neue Quartier, an der ebenerdig und barrierefrei alle öffentlichen Nutzungen liegen. Es etabliert sich ein starkes öffentliches Rückgrat für die neuen Wohngebiete und bietet belebte Erdgeschosszonen, die zum Verweilen und Einkaufen einladen.
Der Freiraum zwischen den drei „Schollen“ wird entsprechend der städtebaulichen Setzung gegliedert. Es entsteht eine gemeinsame Mitte, die diese drei Teile miteinander verbindet. Am Nahversorger und der Drogerie entsteht ein rege belebter Boulevard, der als funktionale Vorzone zu den großflächigen Nahversorger-Nutzungen fungiert. Die Dächer der „Wohngaragen“ werden intensiv begrünt und über Treppen und Rampen (barrierefrei) zugänglich gemacht. Der Freiraum gliedert sich hier in private und halböffentliche Bereiche, welche neben Aufenthaltsbereichen im Grünen auch großzügige Spielflächen beinhalten. Jeder „Kiez“ erhält einen groß-kronigen, blühenden Quartiersbaum. Für diese quartiersprägenden Großgehölze werden in den grünen Wohnhöfen Aussparungen der Tiefgaragen vorgesehen. Innerhalb des grünen Bausteins schaffen neue Baumstandorte, auch aus dem Klimabaum-Sortiment, Identität und Orientierung.
Die freie Gebäudesetzung ermöglicht eine gute Durchlüftung des Quartiers und schließt gleichzeitig ruhige Gartenwohnhöfe ein, die auch als grüne vertikale Klimagärten gedacht sind. Die Gartenwohnhöfe werden dabei zu atmosphärischen, naturnahen Aufenthaltsorten. Grünflächen mit resilienten Pflanzungen wirken als Klimaanpassungsmaßnahme gegen sommerliche Überhitzung. Die Begrünung aus gewachsenen Bäumen, Sträuchern, Stauden und Gräsern verbessert die Biodiversität und stärkt die lokale Fauna. Ein hoher Anteil an Straßenbegleitgrün und großkronigen Bäumen, Pflanzinseln und Hochbeeten prägen den öffentlichen Freiraum.
Baumkonzept
WASSER
Das klimaverträgliche Stadtquartier soll höchste Standards für eine nachhaltige Stadtentwicklung schaffen. Ein wesentlicher Bestandteil ist dabei eine wassersensible Stadtplanung, die durch einen hohen Grünanteil unterstützt wird. Dachflächen werden entweder als halb-intensive Retentionsbegrünung, als Blau-Grün Dächer mit Regenwasserspeicherung für Brauchwasser (Gartenbewässerung, ggf. Toilettenspülung) oder als intensive Dachbegrünung ausgeführt. Dies staffelt sich nach den Höhen und Einsehbarkeit der Baukörper. Abflüsse von Gründächern, werden in Zisternen aufgefangen. Darüber hinaus kann weiteres Niederschlagswasser über lineare Rigolen entlang der Erschließungswege und über die Grüninseln aufgefangen werden.
ARCHITEKTUR
Das städtebauliche Ensemble, bestehend aus zehn verträglichen Bauvolumen, erhält ein Gesicht zu allen Seiten. Die Baukörper selbst gliedern sich in ein ablesbares Sockelgeschoss, welches alle öffentlichen und gemeinschaftlichen Nutzungen beherbergt. Es zeigt die Sockelkonstruktion der erdberührenden Teile auch nach außen hin und bildet eine robuste, repräsentative öffentliche Erdgeschosszone. Jede Wohnung erhält einen privaten Freiraum der entweder auf den Dächern der Parkgeschosse verortetet ist oder als übereinanderliegende Loggien abgebildet wird. Die Fassaden werden intensiv begrünt, ohne den primären Wandaufbau in seiner Einfachheit zu beeinträchtigen. Der nachhaltige Holzbau wird durch eine blecherne Außenhaut bekleidet. Im Inneren wird die hölzerne Konstruktion gezeigt – Rohbau gleich Ausbau, es entsteht eine gestaltprägende Wohnatmosphäre.
TYPOLOGIE UND FLEXIBILITÄT
Förderfähige klassische Wohnmodelle werden von spezifischen Wohnprojekten wie ökologisches Wohnen, Integrativeswohnen, Mehrgenerationenwohnen und Clusterwohnen aufgelockert.
Community Waschräume, Bürgertreff, Reparaturwerkstatt, Gemeinschaftsräume, sowie eine Eisdiele bilden vielfältige Angebote, um soziales Miteinander zu stärken. Es entsteht eine bunte Mischung an unterschiedlichen klassischen und innovativen Wohnformen, die alle Altersstufen und Einkommen berücksichtigen und Austausch und Vielfalt fördern. Die Wohnungen sind frei von Fluren und unnötigen Verkehrsflächen gestaltet. Die flexible Grundrissgestaltung ermöglicht je nach Bedarf ein Einfaches „zuschalten“ von Räumen, oder das Teilen von großen Wohnungen in kleinere.
Grundrisse 1:200 mit © GREENBOX
TRAGWERK UND KONSTRUKTION
Im Nahversorgungsgebäude sind das Sockelgeschoss sowie die beiden Parkgeschosse in Massivbauweise ausgeführt, was weite und flexible Stützenraster ermöglicht. Die Decke über dem Markt ist als punktgestützte Flachdecke mit maximalen Rastermaßen von 9x9m konzipiert.
In den darüberliegenden Parkgeschossen entfällt jede zweite Stützenreihe. Die so entstehenden Stützenabstände von bis zu 17m werden mit vorgespannten Stahlbeton-Fertigteilträgern überspannt. Darauf liegt entweder eine Halbfertigteilplatte aus Beton oder, sofern brandschutztechnisch möglich, eine Brettsperrholzplatte, die mit einer im Verbund wirkenden Ortbetonschicht ergänzt wird. Diese Konstruktionsweise optimiert den Materialeinsatz und ist wirtschaftlich. Zudem ermöglicht sie einen schnellen Bauablauf.
In den darüberliegenden Wohngeschossen werden die Erschließungskerne aus Stahlbeton durch eine Tragkonstruktion rein aus Holz ergänzt. Die Tragachsen der Holzkonstruktion werden durch Holzstützen und sichtbare Holzunterzüge gebildet. Je nach Lage und Anforderung werden die Stützenzwischenräume entweder mit einer wärmedämmenden Außenwand, nichttragenden Innenwänden oder Wohnungstrennwänden ausgefacht. Die Abstände zwischen den Tragachsen von ca. 5m werden mit einer Brettsperrholzdecke überspannt, die auch sichtbar belassen werden kann.
Die anderen Gebäudekomplexe werden analog mit einem Sockelgeschoss aus Stahlbeton ausgeführt. Darüber wird das gleiche System von Erschließungskernen in Stahlbeton und Wohnbereichen als reine Holzkonstruktion verwendet.
- Gordian Kley - Merz Kley Partner
Detail Wohnen 1:50
Detail Markt mit wohnen 1:50
ENERGIE
Ziel des Klima- und Energiekonzeptes ist es, für die Bewohner optimale Tageslicht- und Frischluftversorgung zu gewährleisten und einen hohen visuellen, thermischen und akustischen Komfort bei minimiertem Energiebedarf zu bieten. Durch eine Kombination von 3-fach Isoliergläsern mit einem u-Wert der Verglasung von 0.6 W/m²K und optimierten Rahmenkonstruktionen wird ein hoher Nutzerkomfort erreicht. Externe solare Wärmelasten werden für die Wohnbereiche durch die Schiebeelemente bzw. Rollläden als außenliegender Sonnenschutz wirksam reduziert. Der moderate Fensterflächenanteil sorgt für eine gute Belichtung der Wohnräume und verhindert Wärmeverluste im Winter. Die Wohnhäuser erhalten Markisen, PV-Paneele und vertikale Begrünung als Verschattung. Opake Fassadenbereiche sind mit 20 cm Wärmedämmung ausgeführt, im Dach wird eine Dämmstärke von 28 cm vorgesehen, gegen Erdreich 16 cm.
Eine kontinuierliche Frischluftversorgung der Wohnbereiche wird über in die Fassaden vertikal integrierte dezentrale Pulslüftungsgeräte mit regenerativem Keramik-Wärmetauschern für integrierte Wärmerückgewinnung gewährleistet, die ggfs. schallgedämmt ausgeführt werden können. Vor den Lüftungselementen sind schmale Plattenheizkörper positioniert, die eine Erwärmung der eintretenden Frischluft gewährleisten und somit eine komfortable Grundlüftung der Zimmer sicherstellen. Über Überströmelemente in den Trennwänden gelangt die Abluft in die Flurzonen und zu den Abluftschächten in den Sanitärzonen. Die Flachdächer werden für die Aufnahme von flach aufgeständerten Photovoltaikmodulen oberhalb der Wasser führenden Dachebene vorbereitet. Diese Aufstellweise gewährleistet eine entsprechende Hinterlüftung der Module und minimiert die Eigenverschattung. Für diese Anlagenausführung werden etwa 1.472 MWh Jahresstromertrag pro Kilowatt Spitzenleistung erreicht. Damit werden neben einem hohen Deckungsbeitrag am Eigenstrombedarf auch Überschüsse ins öffentliche Stromnetz eingespeist, was Gesamtprimärenergiebedarfs des Gebäudes weiter senkt, und / oder E-Mobility Konzepte im Gebiet selbst bedient. Die reduzierten Heizlasten werden mit einer Wärmepumpe abgedeckt, die den Supermarkt als zusätzliche Wärmequelle nutzt. So wird die überschüssige Wärme des Supermarktes zur Beheizung der Wohneinheiten genutzt. Darüber hinaus werden Erdkollektoren, oberhalb des Grundwasserspiegels, auch die erneuerbare Energie für die Wärmepumpe liefern.
NACHHALTIGKEIT
Die Entscheidung keine Tiefgaragen im herkömmlichen Sinne anzubieten, leistet den größten Beitrag zur Nachhaltigkeit. Aufwendigen Boden und Abdichtungsarbeiten entfallen. Zusätzlich besteht die Option auf eine spätere Umnutzung der Flächen als hochwertige Räume.
Der möglichst hohe Holzanteil in der Konstruktion leistet einen Beitrag zur CO2 Neutralität.
In der Konstruktion wird eine kreislaufgerechte Bauweise angestrebt. Bei der Materialauswahl, wird wo immer möglich, auf klebstoff- und silikonfreie Konstruktionen geachtet. Bei der Materialbeschaffung werden die urbane Mine und bestehendes Baumaterial oder sogar ganze Bauteile vorgeschlagen. So kann ein großer Anteil der grauen Energie in Bestehendem erhalten werden. Beim Bauen wird der materialgerechte Einsatz der Ressourcen angestrebt. Die Gebäude sind als hybride Bauten aus Holz und R-Beton gedacht und hinterlassen so einen positiven Emissions-Fußabdruck. Bei den Garagen und Fundamenten sollen recyclierte und wiederverwendbare “Öko-Stones” aus Recyclingbeton zum Einsatz kommen und zu einer Verbesserung der Emissionswerte führen.
Der hohe Pflanzenanteil sorgt für ein gutes Mikroklima. An den Gebäuden und in den Freiräumen werden Installationen, welche die Biodiversität begünstigen, angeboten. Dazu gehören Nistkästen, Fledermauskästen, Igel-Appartements, Insektenhotels, Trockenmauern für Eidechsen und Gründächer für Insekten, Schmetterlinge, Schnecken und Tiere aller Couleur - So kann Leben im Einklang mit der Natur entstehen.
- Daniel kielmann und Diego Romero - Transsolar
Ansichten 1:200
Modell 1:500 © BBMG - Béla Berec
Blick auf den Quartiersplatz mit Eingang Nahversorgungszentrum