Leuchtturmprojekt der Nachhaltigkeit
Es geht weiter: Leuchtturmprojekt der Nachhaltigkeit – Ein Artikel der Aachener Zeitung:
Zincoli: Grünes Gewerbegebiet ohne Gewerbe?
Nach politischen Debatten soll das Gewerbegebiet auf dem Zincoli-Areal in Münsterbusch weiterhin besonders nachhaltig werden. Die Vergabekriterien stehen fest.

Es hat eine lange Geschichte auf dem Buckel, mittlerweile auch eine lange des Wartens. Das Zincoli-Gelände in Stolberg-Münsterbusch liegt seit vielen Jahren brach, die Politik möchte seit geraumer Zeit etwas an der ungenutzten Fläche ändern. Wahrzeichen des rund 3,45 Hektar großen Geländes ist der rund 80 Meter hohe Kamin, der bereits von der Cockerillstraße sichtbar ist. Bereits vor Jahren einigten sich die Verantwortlichen darauf, das Gelände als kleinteiliges Gewerbegebiet zu entwickeln. Im Jahr 2019 wurde ein städtebaulicher Wettbewerb durchgeführt, in dessen Verlauf ein Siegerentwurf gekürt wurde, inklusive Erhalt des Zincoli-Kamins. Gleichzeitig wurde die Bedingung gestellt, dass die Grundstücke bevorzugt an Unternehmen vergeben werden, die eine ähnliche Vision des Gewerbegebiets teilen wie die Stadt. Konkret: Aus dem Zincoli-Areal soll ein grünes Gewerbegebiet werden.
– ein Leuchtturmprojekt der Nachhaltigkeit –
Nachhaltiges Bauen
Und hier beginnt die „Leidensgeschichte“ der vergangenen Monate, denn im politischen Raum wurde die Entscheidung über spezifische Vergabekriterien rege diskutiert und mehrfach verschoben – und das, obwohl sie mit Beteiligung der Fraktionen bereits erarbeitet wurden. Drei Workshops – mit Teilnahme der Politik und unter Moderation der regionalen Wirtschaftsförderungsgesellschaft Agit GmbH – fanden 2023 statt. Daran schloss sich seitens der Stadt eine juristische Prüfung und der erste Entwurf für den Kriterienkatalog an. Dass letzterer erst im Februar dieses Jahres vorgelegt wurde, MR begründet die Verwaltung mit der relativ späten Aufstellung des Doppelhaushalts 2024/25. Erstmalig politisch beraten wurden die Vergabekriterien im Ausschuss für Stadtentwicklung, Verkehr und Umwelt im Februar. Kernpunkt war dabei die sogenannte Gebietszertifizierung mit der DGNB-Platinstufe,der höchsten Zertifizierung der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen.
Ansiedlung oder Erweiterung neuer Unternehmen
Die Stadtverwaltung sprach von sehr restriktiven Kriterien und davon, dass die Zertifizierung für Gewerbetreibende einen erheblichen Aufwand darstelle – insbesondere für die Zielgruppe von Start- und Scale-Ups und in Stolberg ansässigen Unternehmen, die expandieren möchten. Der Ausschuss für Stadtentwicklung reichte weiter an den Ausschuss für Wirtschaftsförderung, selbst der Stadtrat kam anschließend und ebenfalls noch im Februar zu keiner Einigung. Zwar wurden Änderungsanträge gestellt – die SPD plädierte für eine Lockerung der Vergabekriterien, die CDU dafür, dass ausschließlich die Verpflichtung zur Zertifizierung bei der Bewerbung kein notwendiges Kriterium sein sollte –, doch diese fanden keine Mehrheit. Verschoben wurde die Entscheidung dann auf den jüngsten Rat am vergangenen Dienstagabend. In der Zwischenzeit hatte die Stadt mehrere Stellungnahmen eingeholt.
Vergabekriterien
Die Agit stellte zwei Varianten an Kriterienkatalogen auf, die sich darin unterschieden, wie die Punktezahlen für die drei Faktoren Ökologie, Ökonomie und Quartiersaufwertung verteilt sind. Variante 1 sieht bei 100 maximalen Punkten folgende Verteilung vor: 45 für Ökologie (ökologische Bauweise, Energiebilanz, Mobilität), 40 für Ökonomie (unter anderem Arbeits- und Ausbildungsplätze sowie Gewerbesteuer) und 15 für Quartiersaufwertung (Architektur und Bistro). Variante 2 geht von folgender Punkteverteilung aus (ebenfalls maximal 100): 45 für Ökologie, 50 für Ökonomie und 5 für Quartiersaufwertung. Neben den umfangreichen Ausführungen der Agit gab die IHK Aachen eine Stellungnahme zu den Vergabekriterien ab.
Die Kammer verwies vor allem auf den wirtschaftlichen Abschwung der vergangenen Jahre. Aus diesem Grund würden Erweiterungen und Verlagerungen von Unternehmen zurückgestellt. Nichtsdestotrotz gibt es laut IHK in der Region interessierte Firmen, deren Bedarf aufgrund begrenzter Flächenkapazitäten nicht erfüllt werden können. Die Interessenvertretung kommt zu dem Fazit, dass die Vergabekriterien zum einen zusätzlichen bürokratischen Aufwand bedeute und zum anderen die Ökologie einen zu hohen Stellenwert erhalte – es entstünde der Eindruck, dass am Zincoli-Standort eine gewerbliche Nutzung nicht die oberste Priorität habe.
Partizipation
Auch drei von der Stadtverwaltung ausgesuchten Unternehmen, die aus den Bereichen Handwerk, Metallverarbeitung und Maschinenbau stammen, wurden befragt und stehen den Vergabekriterien skeptisch gegenüber. Zwei äußerten ihre Bedenken gegenüber den Faktoren Nachhaltigkeit, während das dritte betonte, dass der Kauf eines Grundstücks aktuell grundsätzlich eine finanzielle Herausforderung darstelle und eine langfristige Planung durch die Kriterien erschwert würde. So plädierte die Stadt für Variante 2, die eine stärkere Gewichtung der Ökonomie vorsieht. Zudem befürwortet die Verwaltung, dass nicht 50 Punkte – wie von der Agit vorgeschlagen – für eine erfolgreiche Bewerbung zu erreichen sind, sondern lediglich 40. Denn Peter Wackers, Amtsleiter Wirtschaftsförderung in Stolberg, war bereits bei einer der vergangenen politischen Sitzungen überzeugt: „Wir werden Probleme in der Vermarktung haben.“
Vermarktungsziele sind auch der Grund, wieso die Stadt aufs Tempo drückt. Aktuell würden verschiedene Gewerbeflächen in der Region entwickelt, es bestünde somit eine Konkurrenzsituation. Vor allem mit Blick auf den prekären Stadthaushalt und möglicher Gewerbesteuereinnahmen sei eine Ansiedlung oder Erweiterung neuer Unternehmen für Stolberg wichtig. Gleichzeitig, so Wackers, möchte man mit den Vergabekriterien eine rechtssichere Situation schaffen. Die Kriterien könnten nach erfolgtem Beschluss nicht einfach geändert werden, wenn man merkt, dass die Vermarktung nicht gelingt. Aber, so die Verwaltung, ökologische Standards können unter anderem durch Vorgaben im Bebauungsplan erreicht werden.Letzterer könnte, nachdem er entworfen ist und entsprechende Gutachten fertiggestellt sind, Anfang 2026 o“engelegt werden.
Vermarktung
Der Zeitplan der Verwaltung geht weitergehend davon aus, dass eine Vermarktung des Zincoli-Areals noch in der ersten Hälfte des kommenden Jahres starten könnte. Der Änderungsantrag der Jamaika-Koalition, der in den Rat eingebracht wurde, war sodann der Kompromiss zwischen Variante 1 und 2 und wurde im Wesentlichen durch die grüne Fraktionsvorsitzende Dina Graetz vorgetragen und verteidigt. Der Antrag sah vor, die Mindestpunktzahl auf 45 zu setzen und dem Faktor Architektur wie in Variante 1 (45 Punkte für Ökologie, 40 für Ökonomie, 15 für Quartiersaufwertung) eine Punktzahl von 10 beizumessen. Laut Antrag sollen die interessierten Unternehmen eine verbindlicheWillensbekundung zu nachhaltigen Bauelementen abgeben, die bei Nichteinhaltung mit Sanktionen belegt wird. Im Detail: Holzbauweise, Fassaden- und Dachbegrünung sowie die Nutzung und Wiederverwertung von Regenwasser.